Legasthenie Behinderte Seite drucken

Handreichung zum Notenschutz wegen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche für die Lehrkräfte in allgemein bildenden Schulen und Förderzentren in Schleswig-Holstein    

LRS-Formulare

 
Siehe auch Dyskalkulie  
Siehe auch Rechenschwäche  

Veröffentlicht im Nachrichtenblatt Schule Ausgabe 3/2022 vom 31. März 2022 auf Seite 104
Die Anlagen wurden einzeln online gestellt.

Förderung von Schülerinnen und Schülern mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche und Erstellung von Zeugnisvermerken über einen gewährten Notenschutz

Erlass des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 15. März 2022 – III 31
1. Allgemeine Bestimmungen zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche

1.1. Bei einer Reihe von Schülerinnen und Schülern in der Grundschule und in weiterführenden Schulen ist der Schulerfolg durch Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben stark beeinträchtigt. Lernschwierigkeiten dieser Art beruhen auf einer Vielzahl verursachender Faktoren und weisen ein vielfältiges Erscheinungsbild auf; die sie bezeichnenden Begriffe sind uneinheitlich und beruhen entsprechend auf unterschiedlichen Definitionen (z. B. Lese-Rechtschreib-Schwäche, Legasthenie, Lese-Rechtschreib-Störung, Dyslexie). Zu den Aufgaben der Schule gehört es, die individuellen Schwierigkeiten einer Schülerin und eines Schülers zu erkennen und als einen Förderanlass wahrzunehmen. Die nachfolgenden Bestimmungen sollen ergänzend zu den gesetzlichen Bestimmungen dazu beitragen, diesen Beeinträchtigungen so weit wie möglich zu begegnen und den internen schulischen Umgang damit zu regeln. Sie haben das besondere Ziel, die vorhandenen Begabungen zu entwickeln, den Schülerinnen und Schülern eine ihrem individuellen Leistungsvermögen angemessene Schullaufbahn zu ermöglichen und die Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben bzw. die Lese-Rechtschreib-Schwäche im Laufe der Schulzeit durch entsprechende Hilfen weitgehend zu beheben.

1.2. Die Eltern sollen in Elternversammlungen und Elternsprechstunden über Probleme der Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche informiert werden. Dabei sind ihnen insbesondere Hinweise für häusliche Hilfen zu geben.

1.3. Zur Durchführung der Untersuchung muss jede Schule mindestens eine für den Bereich Lese-Rechtschreib-Schwäche besonders fortgebildete Lehrkraft (qualifizierte, schulische Fachkraft LRS) benennen. Kleinere benachbarte Grundschulen können im begründeten Ausnahmefall mit Zustimmung der Schulaufsichtsbehörde zusammen mit einer anderen Grundschule eine Fachkraft LRS benennen. Die qualifizierte, schulische Fachkraft LRS arbeitet mit den Lehrkräften des zuständigen Förderzentrums und dem Schulpsychologischen Dienst eng zusammen. Sie steht zur fachlichen Unterstützung der Lehrkräfte, zur Beratung der Eltern und der Schülerinnen und Schüler in jeder Schule zur Verfügung. In Fragen der Lese-Rechtschreib-Schwäche soll diese Lehrkraft zu Klassen- und Fachkonferenzen hinzugezogen werden. Das IQSH bietet regionale Fortbildungsveranstaltungen sowie Weiterbildungs- und Qualifizierungslehrgänge zur Problematik der Lese-Rechtschreib-Schwäche an.

2 Förderung der Entwicklung der Lese- und Rechtschreibkompetenzen in den einzelnen Jahrgangsstufen

2.1 Eingangsphase
In der Eingangsphase sollen alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam Lesen und Schreiben lernen. Dabei kommt es vor allem darauf an, unter Berücksichtigung der bei den Schülerinnen und Schülern unterschiedlich ausgebildeten Lernvoraussetzungen eine gute Grundlage für das Lesen und Rechtschreiben zu schaffen. Unterschiede im Lernverhalten und in der Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler sind natürlich. In einigen Fällen treten unabhängig davon Lernstörungen im Lesen auf. Der Lehrplan bzw. die Fachanforderungen der Grundschule führt eine Reihe von Maßnahmen auf, wie solchen Lernstörungen frühzeitig begegnet werden kann. Auch die Lehreraus- und -fortbildung soll Themen wie Früherkennung von Lernstörungen und Fördermaßnahmen beinhalten. Übungen und Hilfen für einzelne Kinder setzen an der Lernausgangslage der Schülerin und des Schülers an und werden nach dem Leistungsvermögen differenziert direkt im Klassenverband auf die Unterrichtsinhalte bezogen. Wenn solche Individualisierung im Regelunterricht durch zusätzliche Förderungen in Kleingruppen ergänzt werden muss, soll diese von einer dafür qualifizierten Lehrkraft in enger Absprache mit der Deutschlehrerin oder dem Deutschlehrer durchgeführt werden. Erschweren Sprach- und Sprechstörungen den Leselernvorgang, soll die Lehrkraft den Rat des zuständigen Förderzentrums einholen. Nach spätestens 1 1/2 Jahren ist sorgfältig zu prüfen, ob die Leistungen einer Schülerin oder eines Schülers im Lesen ausreichen, um ohne Schwierigkeiten darauf aufbauen zu können. Andernfalls wird ein Lernplan erstellt.

2.2 Jahrgangsstufe 3

22.2.1 Bestehen nach Abschluss des Leselernprozesses noch Schwierigkeiten beim Lesen oder Rechtschreiben, wird die Förderung entsprechend dem Förderkonzept der Schule im Rahmen der in der Kontingentstundentafel dafür vorgesehenen Stunden fortgesetzt. Sie kann klassen- und jahrgangsübergreifend durchgeführt werden. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Stunde als 45-Minuten-Einheit erteilt wird. Eine häufigere, kurzzeitige Förderung kann unter Umständen erfolgreicher sein. 2.2.2 Der Lehrplan bzw. die Fachanforderungen der Grundschule macht grundsätzliche Aussagen zur Funktion von Klassenarbeiten und stellt vielfältige Möglichkeiten von Lernerfolgskontrollen dar. Er sieht differenzierte Diktate, Selbstkontrollmöglichkeiten sowie themenorientierte, vielfältige individuelle Vorübungen vor. Für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben sind die Vorgaben des Lehrplans bzw. der Fachanforderungen im Rahmen eines differenzierten diagnostischen Prozesses individuell und besonders sorgfältig umzusetzen. Die Bewertung der Rechtschreibleistung erfolgt nur im Rechtschreibunterricht mit seinen besonderen Übungsformen. Bei der Bewertung von Textproduktionen sowie bei schriftlichen Lernerfolgskontrollen in allen Fächern bleibt die Rechtschreibleistung in der Gesamtnote unberücksichtigt. Rechtschreibfehler werden von der Lehrkraft berichtigt und dienen als Anstöße für allgemeine und individuelle Fördermaßnahmen. Bei der Leistungsbeurteilung von Diktaten und vergleichbaren Übungsarbeiten soll nach pädagogischen Gesichtspunkten des Einzelfalles statt mit einer Note verbal beurteilt werden. Hierbei soll insbesondere der individuelle Leistungsfortschritt erwähnt werden. Der tatsächliche Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler in der Rechtschreibung ist den Eltern im Verlaufe eines Schuljahres in geeigneter Weise mitzuteilen (z. B. Gespräche in der Schule).

2.2.3 Bei positiver Leistungsentwicklung soll eine Schülerin oder ein Schüler nicht sofort, sondern erst nach einer Übergangsphase aus den Fördermaßnahmen und dem Notenschutz herausgenommen werden.

2.3 Jahrgangsstufe 4
Schülerinnen und Schüler, bei denen eine Lese-Rechtschreib-Schwäche vermutet wird, sollen aufgrund eines Beschlusses der Klassenkonferenz und mit Antrag der Eltern bis zum Ende der 1. Hälfte der 4. Jahrgangsstufe von der dafür qualifizierten, schulischen Fachkraft LRS untersucht werden. Die in den Tz. 2.2.1. und 2.2.2. aufgeführten Fördermaßnahmen und ein zu gewährender Notenschutz werden auch in der Jahrgangsstufe 4 fortgesetzt.

2.4 Ab der Jahrgangsstufe 5 Schülerinnen und Schüler mit einer förmlich festgestellten Lese-Rechtschreib-Schwäche sollen im Rahmen des Förderkonzepts der Schule gefördert werden. Die gezielte individuelle Förderung geschieht vorrangig im Unterricht.
Die Förderung soll auch die Fremdsprachen einbeziehen, wenn dies notwendig ist.

3. Zeugnisvermerke über einen gewährten Notenschutz
33.1 Im Zeugnis ist gemäß § 4 Absatz 9 Satz 1 der Nachteilsausgleichs- und Notenschutzverordnung die nicht erbrachte, nicht bewertete oder zurückhaltend gewichtete fachliche Leistung zu vermerken, selbst wenn der Notenschutz nur für Teile des Schuljahres gewährt worden ist oder in das Zeugnis Leistungen von Fächern aus dem vorherigen Schulhalbjahr oder aus früheren Jahrgangsstufen, für welche Notenschutz gewährt wurde, einbezogen werden. Ein Hinweis auf Beeinträchtigungen unterbleibt gemäß § 4 Absatz 9 Satz 2 der Nachteilsausgleichs- und Notenschutzverordnung. Die nachfolgenden Ziffern dienen zugleich der Umsetzung von § 7 Absatz 1 Nummer 2 der Zeugnisverordnung, wonach im Zeugnis zusätzlich zu den Fachnoten oder zu den Berichten Beschlüsse über einen gewährten Notenschutz gemäß § 4 Absatz 9 Nachteilsausgleichs- und Notenschutzverordnung zu vermerken sind.

3.2 Zeugnisvermerke bei einer förmlich festgestellten Lese-Rechtschreib-Schwäche

3.2.1 Der Zeugnisvermerk lautet bis zum Ende der Sekundarstufe I: „Die Rechtschreibleistungen entsprechen nicht den Anforderungen; sie sind in den Fachnoten nicht enthalten.“

3.2.2 Der Zeugnisvermerk für die Sekundarstufe II der allgemein bildenden Schulen, das Berufliche Gymnasium und die Schularten der berufsbildenden Schulen, die einen Mittleren Schulabschluss voraussetzen, lautet:
„Die Rechtschreibleistungen entsprechen nicht den Anforderungen; sie sind in den Fachnoten zurückhaltend gewichtet.“

3.2.3 Der Zeugnisvermerk bei einem laufendem Verfahren, wenn die Rechtschreibung mangelhaft ist und vorläufiger Notenschutz gewährt wird, lautet: „Die Rechtschreibleistungen entsprechen nach vorläufiger Bewertung nicht den Anforderungen; sie sind in den Fachnoten/Fachbewertungen nicht enthalten.“

3.3 Zeugnisvermerke wegen einer Beeinträchtigung in der körperlichen Motorik, beim Sprechen, in der Sinneswahrnehmung oder aufgrund eines autistischen Verhaltens

3.3.1 Im Zeugnisvermerk darf eine der Beeinträchtigung zu Grunde liegende Diagnose oder Erkrankung, aufgrund derer der Notenschutz gewährt wird, nicht vermerkt werden (vergleiche § 4 Absatz 9 Satz 2 der Nachteilsausgleichs- und Notenschutzverordnung). Es erfolgt jedoch ein Hinweis auf die Gewährung von Notenschutz einschließlich Art und Umfang. Soweit ein nachfolgender Zeugnisvermerk einen Klammerzusatz „[ ]“ enthält, ist der Vermerk durch Wahl einer Formulierung entsprechend anzupassen. Die nachfolgenden Formulierungshilfen sind als Muster-Zeugnisvermerke zu verstehen, die ggf. im Einzelfall durch Streichungen oder Ergänzungen anzupassen sind.

33.3.2 Soweit Notenschutz wegen einer körperlich-motorischen Beeinträchtigung gewährt wird, kann der Zeugnisvermerk lauten: „Aufgrund der Gewährung von Notenschutz wurde in allen Fächern [oder: in dem Fach … / in den Fächern …] auf Prüfungsteile verzichtet, die auf Grund einer körperlich-motorischen Beeinträchtigung nicht erbracht werden können; [nämlich: …]. Sie sind in den Fachnoten/Fachbewertungen nicht enthalten.“

3.3.3 Soweit Notenschutz wegen Mutismus und vergleichbarer Sprachbehinderung sowie Autismus mit kommunikativer Sprachstörung gewährt wird, kann der Zeugnisvermerk lauten:
„Aufgrund der Gewährung von Notenschutz wurde in allen Fächer [oder: in dem Fach … / in den Fächern …] auf mündliche Leistungen oder Prüfungsteile, die ein Sprechen voraussetzen, verzichtet; [nämlich: …]. Sie sind in den Fachnoten/Fachbewertungen nicht enthalten.“

3.3.4 Soweit Notenschutz wegen Hörschädigung gewährt wird, kann der Zeugnisvermerk insbesondere wie folgt lauten:
„Aufgrund der Gewährung von Notenschutz wurde auf mündliche Präsentationen, auf die Bewertung des Diktats sowie der Rechtschreibung und der Grammatik, bei Fremdsprachen auf Prüfungen zum Hörverstehen und zur Sprechfertigkeit und in musischen Fächern auf Prüfungsteile, die ein Hören voraussetzen, verzichtet.“
oder
„Aufgrund der Gewährung von Notenschutz wurden mündliche Präsentationen geringer gewichtet.“
oder „„Aufgrund der Gewährung von Notenschutz wurden mündliche Präsentationen geringer gewichtet sowie auf die Bewertung des Diktats sowie der Rechtschreibung und der Grammatik, bei Fremdsprachen auf Prüfungen zum Hörverstehen und zur Sprechfertigkeit und in musischen Fächern auf Prüfungsteile, die ein Hören voraussetzen, verzichtet.“

3.3.5 Soweit Notenschutz wegen Blindheit oder sonstiger Sehschädigung gewährt wird, kann der Zeugnisvermerk lauten:
„Aufgrund der Gewährung von Notenschutz wurde in allen Fächern [oder: in dem Fach … / in den Fächern …] auf Prüfungsteile, die ein Sehen voraussetzen, verzichtet; [nämlich: …]. Sie sind in den Fachnoten/Fachbewertungen nicht enthalten.“

4. Die Anlagen 1 bis 10 sind Bestandteil des Erlasses.
5. Schlussbestimmungen
Dieser Erlass tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt der Erlass des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 31. August 2018 zur „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit einer Lese-
Rechtschreib-Schwäche und Erstellung von Zeugnisvermerken über einen gewährten Notenschutz“ außer Kraft.

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Paragraf – Schulrecht für Schleswig-Holstein